
Ich weiß nicht, ob es an meiner mit den Jahren gewachsener Lebenserfahrung liegt, an meiner nostalgisch verklärten Sichtweise oder schlicht daran, dass ich als Vollzeitrentner zu viel Zeit habe, über die Welt nachzudenken. Aber ich kann mich noch sehr gut erinnern: an Zeiten, als Journalisten noch Journalisten waren, als das Fernsehen noch schwarz-weiß und die Meinung bunt war — und nicht umgekehrt.
Schon in den frühen 60er-Jahren hatte ich als Heranwachsender das Privileg, den Deutschen Fernsehfunk auch in Westdeutschland empfangen zu dürfen. Jawohl! Noch bevor die Mauer ihre vollen Ausmaße an Beton und Stacheldraht entfaltete, flimmerten Kult-Formate wie „Ein Kessel Buntes“, „Zwischen Frühstück und Gänsebraten“, „Willi Schwabes Rumpelkammer“ oder das allseits geliebte Sandmännchen über unseren Bildschirm. Als junger Mensch staunte man da noch über die Vielfalt der Welt und wunderte sich höchstens, warum der Weihnachtsbraten immer so betont sozialistisch daherkommen musste.
Doch es gab auch die andere Seite: die „Aktuelle Kamera“ und das Meisterwerk der subtilen Gehirnverformung namens „Der schwarze Kanal“ mit dem unvergesslichen Karl-Eduard von Schnitzler. Schon damals lernte ich, zwischen Information und Indoktrination zu unterscheiden. Damals war das noch möglich. Man wusste: Wenn Schnitzler sprach, dann war der Wahrheitsgehalt der Aussagen ungefähr so hoch wie die Produktion von Bananen in der DDR.
Wie beneidenswert klar war damals die Rollenverteilung! Der Klassenfeind im Westen brachte Peter von Zahn, Dagobert Lindlau und Thilo Koch auf den Schirm — Journalisten, die ihre Aufgabe darin sahen, uns Bürger aufzuklären, nicht zu erziehen. Man hörte verschiedene Stimmen, man durfte sich eine eigene Meinung bilden.
Fast Forward: Heute. Eine Medienlandschaft wie ein Kessel, nur nicht bunt
Und heute? Nun, heute lebe ich als Vollzeitrentner mit ausreichend Zeit und leider noch intakter Sehfähigkeit in einer Medienrealität, die mich erschüttert.
Kaum schalte ich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) ein — natürlich unter finanzieller Zwangsbeteiligung, die ich als „Demokratieabgabe“ euphemistisch betitelt bekomme —, fühle ich mich um Jahrzehnte zurückkatapultiert. Die Gesichter haben sich geändert: Statt Schnitzler moderieren nun Elmar Theveßen, Jessi Wellmer, Dunja Hayali, Ingo Zamperoni & Co. Der Stil? Der gleiche.
Nur subtiler. Eleganter indoktriniert es sich im 21. Jahrhundert. Heute nennt man es „Haltungsjournalismus“. Ich nenne es: Meinungsdressur im bunten Anstrich.
Die ewige Wiederkehr der schlechten Nachricht
Wenn ich eines gelernt habe als langjähriger Medienkonsument: Gute Nachrichten sind keine Nachrichten. Positive Entwicklungen? Verbesserte Lebensumstände? Innovative Lösungen für gesellschaftliche Probleme? Fehlanzeige.
Der ÖRR scheint eine Art masochistisches Vergnügen darin zu finden, das Land täglich in Depression und Angst zu baden: Klimakollaps, Rechtsruck, Diskriminierung, Untergang der Demokratie — letzterer interessanterweise stets verursacht von allen anderen, nur nicht vom Journalismus selbst.
Manchmal frage ich mich, ob in den Redaktionsstuben eine geheime Wette läuft: Wer schafft es, die düsterste Tagesschau des Monats zu produzieren?
Politische Neutralität? Wie gestern, so morgen: Fehlanzeige
Früher wusste man: Die Aktuelle Kamera sendete im Auftrag. Heute behauptet der ÖRR, er sei unabhängig. Unabhängig wovon?
Sicherlich nicht von einer gewissen politischen Agenda.
Sicherlich nicht von dem Reflex, jeden gesellschaftlichen Diskurs durch eine moralisch aufgeladene Brille zu kommentieren.
Die Auswahl der Journalistinnen und Journalisten wirkt inzwischen, wie eine moderne Casting-Show: Wer die meiste „Haltung“ zeigt, bekommt Sendezeit. Wer kritisch gegen den Mainstream berichtet — der darf vielleicht irgendwann einen Podcast auf Telegram starten.
Vom Bildungsauftrag zur Bildungslenkung
Dabei sollte der ÖRR doch eigentlich genau das Gegenteil leisten:
Demokratie fördern, Meinungsvielfalt zeigen, Diskurs ermöglichen.
Stattdessen erleben wir eine mediale Dauerbeschallung, die nur noch ein Ziel kennt: das Publikum auf eine bestimmte Art denken und fühlen zu lassen. Kritik an dieser Entwicklung? Wird wahlweise als rechts, alt, verwirrt oder rückwärtsgewandt diffamiert. Oder alles gleichzeitig.
Da hilft es auch nicht, wenn man jahrzehntelang selbst für Demokratie und Meinungsfreiheit eingestanden hat.
Fazit eines alten weißen Mannes mit Fernsehgeschichte
Ich habe viel gesehen. Sehr viel. Ich habe echte Journalisten erlebt und politische Agitatoren. Ich habe gelernt, zu unterscheiden.
Und heute erkenne ich die Muster wieder — wenn auch in neuer Verpackung.
Man nennt es jetzt nicht mehr Propaganda, sondern „Haltungsjournalismus“. Man nennt es nicht mehr Zensur, sondern „kuratierte Inhalte“. Man nennt es nicht mehr Gleichschaltung, sondern „gesellschaftlicher Konsens“.
Der bittere Schluss eines älteren, zynischen Beobachters
Wenn ich mir das heutige öffentlich-rechtliche Fernsehen ansehe, dann kommt mir der Gedanke: Karl-Eduard von Schnitzler hätte bei ZDF & ARD vermutlich heute noch beste Karrierechancen — vorausgesetzt, er genderte korrekt und hätte einen Instagram-Account.
Ich erkenne das Muster:
- Die Guten dürfen alles sagen.
- Die Falschen bekommen keine Plattform.
- Der Zuschauer wird sanft, aber beständig umerzogen.
Mein Fernseher? Der bleibt inzwischen öfter aus.
Er eignet sich immerhin noch hervorragend als zusätzliche Heizung im Winter — bei all den heißen Luftblasen, die dort produziert werden.
Und während die Programmdirektoren uns einreden, dies alles sei im Dienste der Demokratie, denke ich mir: Eine Demokratie, die so viel Erziehung braucht, hat offenbar wenig Vertrauen in die eigene Reife.
Vielleicht ist es ja gar nicht die Gesellschaft, die belehrt werden müsste — sondern ein Mediensystem, das sich längst für moralischer hält als die Demokratie selbst.
Ich nenne es gefährlich. Für die Demokratie. Für die Meinungsvielfalt. Für den gesellschaftlichen Frieden.
Solange der ÖRR sich nicht auf seinen eigentlichen Auftrag zurückbesinnt — informieren statt indoktrinieren, berichten statt belehren —, bleibt er für mich nichts anderes als: Ein schwarzer Kanal im bunten Anstrich.
Und selbstverständlich ist der ÖRR formal unabhängig. So wie der DDR-Fernsehfunk formal staatsfern war. Ein Schelm, wer hier Parallelen zieht.
Aber keine Sorge: Unter Berufung auf Artikel 5 Absatz 1 GG wird all dies als vorbildliche „öffentliche Meinungsbildung“ verkauft.
Meinungsbildung, nicht Meinungsvielfalt — da ist ein feiner Unterschied. Nur eben nicht mehr im Programm.
Und das Sandmännchen? Das kommt inzwischen auch nur noch mit erhobenem Zeigefinger.
🅴🅿🅸🆂🅾🅳🅴🅽
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𝗘𝗯𝗲𝗻𝗳𝗮𝗹𝗹𝘀 𝗼𝗻𝗹𝗶𝗻𝗲:
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