Eine Analyse der WM-Analysen (oder ist es nur Satire?)

Nun ist es halt passiert und alle Experten beginnen mit ihren Analysen. Jeder von denen, die meinen sie sind es allein, die den Fußball erklären können, hat dazu nun seine ureigene Sichtweise, und das schlimme daran ist, sie teilen das auch noch in der Öffentlichkeit. Wie sagte mal jemand so schön:

Das Tolle am Internet ist, dass endlich jeder der ganzen Welt seine Meinung mitteilen kann. Das Furchtbare ist, dass es auch jeder tut.

Und so verfolge ich natürlich nun auch diese hochintellektuellen Analysen und Meinungen auf allen Medienkanälen. Jeder, aber auch jeder, der schon einmal irgendwie gegen einen Ball getreten hat, oder der jemanden kennt, der schon mal einen Fußball gesehen hat, oder einen Schwager hat, der die Sportseite der Tageszeitung lesen kann, beteiligt sich daran. Und so sind diese Analysen so vielschichtig, wie die kontinentale Erdkruste, die ozeanische Erdkruste, die obere Erdkruste und der untere Erdmantel zusammen.

Und bei alledem hebt sich hier insbesondere die pseudointellektuelle, narzisstische Plattform LinkedIn mit ihren hochrangigen Experten, vom Mentalcoach, über CEO‘s, Beratern und Foundern, bis hin zu echten Fußballern und Autoren, natürlich besonders ab. Viele kommen dort zu dem Schluss, dass man eigentlich fast alles richtig gemacht hat. Gut gespielt, die Gegner in Schach gehalten, das jeweilige Spiel souverän dominiert, sogar Tore geschossen und auch manche vermieden hat. Die Summe der Fehler war eigentlich gering, im Verhältnis zu denen, die man hätte machen können. Leider haben die Gegner aber dann nicht so richtig mitgespielt. Die haben einfach die Frechheit besessen, effektiv zu sein. Na ja, damit konnte ja nun wirklich niemand rechnen. Aber deshalb sollte man „Die Mannschaft“ nun wirklich nicht kritisieren, sie hatten ja ein gemeinsames Ziel, sie wollten Weltmeister werden, und allein der Anspruch und der Wille zählt halt. Wer hatte sonst den Mut, so ein Ziel zu definieren, Italien etwa? Und hier zählt dann auch allein der Olympische Gedanke: Hauptsache dabei gewesen!

Und nun bekommt erst einmal jeder Spieler einen dieser Mentalcoaches, die sie wieder aufbauen, nach dieser ungerechten und ungerechtfertigten Kritik in den deutschen Medien. Und das müssen diese Spieler dann wahrscheinlich auch noch von ihrem mühsam Ersparten selbst bezahlen. Da reden alle von Krisen, Klimakrise, Inflationskrise, Energiekrise, Friedenskrise, was ist das alles gegen die Fußballkrise.

Bei LinkedIn hat dann auch tatsächlich einer dieser selbsternannten Mental-Alchemisten versucht, das Scheitern der Deutschen Mannschaft mit der Fehlerkultur in deutschen Unternehmen zu analysieren. Aber in der ganzen Fußballblase fehlen halt eben Unternehmerpersönlichkeiten. Der letzte Unternehmer des deutschen Fußballs war Ulli Hoeneß, der hat mit seiner Würstchenfabrik noch Würste an McDonalds verkauft und versucht wie jeder ehrbare Unternehmer Steuern zu vermeiden.

Und zum Schluss noch eine persönliche Analyse: Das Weiterkommen wurde im Spiel gegen Spanien verpasst. Nach der Auftaktniederlage gegen Japan hatte man immer noch zwei Spiele vorweg, um sechs Punkte zu erreichen, die nach der Arithmetik ein sicheres Weiterkommen bedeutet hätten. Zu dieser These hat mir dann jemand geantwortet, wovon ich sonst träume, ein Sieg gegen Spanien? Na ja, wenn man Weltmeister werden will, sollte man halt jeden Gegner schlagen können, auch Spanien, auch wenn es im Endspiel gewesen wäre. Deshalb, wer gegen Spanien nicht gewinnt, kann auch nicht Weltmeister werden, oder? Aber, ich bin ja kein Experte. Das sind ja all die anderen.